Die wilde Königin ruft
Juli 20, 2024

Eine Tour, die schon lange auf der Wunschliste stand, realisierte ich heute. Der im Kanton Schwyz liegende Gipfel der Hoflue (Hochflue) ist der alpinste des Rigimassivs. Hier sind Schwindelfreiheit und Trittsicherheit angezeigt, denn es geht über Stock und Stein.

Ich möchte die Kalkpyramide über den Ostgrat erklimmen. Diese Route ist gemäss SAC-Skala ein T5-. Im ersten Teil nehme ich es gemütlich und lasse mich per Seilbahn von Brunnen auf den Urmiberg bringen. Auch der erste Wegabschnitt über den Aussichtspunkt Gottertli ist einfach. Ich mache diese kleine Extraschlaufe, weil ich von hier meinen Zielberg und die Aufstiegsroute in voller Pracht begutachten kann. Die Sicht auf den Urnersee und die umliegenden Berge ist jedoch schon jetzt – morgens um zirka 10 Uhr – getrübt.

Blick vom Gottertli auf die Alp Egg und Rigi Hoflue

Ab der Alp Egg gilts ernst. Jetzt beginnt der technisch anspruchsvolle Teil des Aufstiegs. Das einem dies wirklich klar wird zeigt ein Schild mit Verunglückten schon bei der ersten Felspartie. Tja, welche nette Begrüssung. Da ich solchen Schildern und Absturzkreuzen schon mehrmals in der Bergwelt begegnete, lasse ich mich nicht beeindrucken. Ein gewisses Restrisiko besteht immer, und dabei muss es sich nicht mal zwingend um eine kritische Stelle handeln.

So zurück zu meinem Kraxelabenteuer. Ich bin auf Solo-Tour, wobei an einem so schönen Samstag noch etliche andere Wanderbegeisterte den Weg unter die Füsse nehmen. Während des gesamten Aufstiegs bleibt es spannend. Es gibt nur wenige «entspannende» Stellen für Körper und Geist. Der Weg bleibt durchwegs anspruchsvoll und erfordert Konzentration. An den kritischsten und steilsten Stellen sind Fixseile montiert, teils neu – teils alt und rostig. Baumwurzeln bieten sich als wertvolle Haltegriffe an und sind teils schon so glatt, dass ich wohl die gefühlt Millionste Passantin bin, die sich daran festhält. Danke Natur, du bist auch in dieser Hinsicht eine wundervolle Partnerin. Auch die Felsen halten alle gut. Der Aufstieg braucht Energie. Dadurch, dass es immer wieder tolle Ausblicke gibt und die Bäume die kuriosesten Wuchsformen aufweisen, kann ich mich beim Fotografieren gut zwischenerholen.

Die Schlüsselstelle bildet eine plattige Felsstufe unterhalb des Gipfelgrats, versehen mit Eisenbügeln und Drahtseilen. Hier halte ich genügend Abstand zu den Vorgehern, da Steinschlag möglich ist. Noch einmal volle Konzentration beim Klettern und kurz darauf stehe ich auf dem Grat. Diesem gilt es noch ein Stück entlang zu gehen, dann folgt das Gipfelkreuz. Es sind heute doch einige Wandernde hier. Aufgrund des Schwierigkeitsgrades ist dieser Gipfel im Gegensatz zu den andern Rigi-Gipfeln nie überlaufen. Es führen ja nur alpine Wanderwege hier hinauf. Das Panorama ist atemberaubend: Vierwaldstättersee mit Fronalpstock, Nieder-/Oberbauen, weiter hinten das Buochserhorn und der Bürgenstock, Vitznauer-/Gersauerstock, das Rigi-Massiv und auch gegen Norden hin der Gnipen mit dem Goldauer Bergsturz, Wildspitz und die Mythen. 360 Grad Wow-Rundblick.

Panorama von der Rigi Hoflue

Über die zirka 25 m hohe und fast senkrechte Eisenleiter beginne ich mit dem Abstieg. Hier treffe ich wieder auf die zwei Frauen, welche ich heute schon mehrmals gekreuzt habe. So ergibt sich die Möglichkeit, sich hier bei der Leiter gegenseitig abzulichten. Nach der Leiter wird’s wieder recht gemütlich. Obwohl der Pfad eng bleibt, verläuft der weitere Abstieg durch den Wald gut und mehrheitlich im Schatten. Bei einem Übergang in eine Wiese sehe ich ein Baumskelett. Aber Moment mal, da blickt mich doch jemand an. Tatsächlich, in den Stamm wurde ein schönes Gesicht geschnitzt. Und ganz im Hinterkopf klingelts… ja dieses Bild hatte ich doch auch schon im Internet mal gesehen.

Beim urchigen Bergrestaurant Gätterlipass befeuchte ich die trocken gewordene Kehle mit einem sauren Most. Erfrischt und teilrehydriert starte ich in den letzten Wegteil. Dieser führt mich über liebliche Wiesen mit unzähligen Blumen und Wildkräutern, wie ein Teppich an Mädesüss, Baldrian, Johanniskraut etc. und Orchideen. Weshalb diese Abstiegsroute? Ich will mich im Lauerzersee noch abkühlen. Das schön gelegene und mit grossen, Schatten spendenden Bäumen gestaltete Strandbad gefällt mir. Der Zutritt ist kostenlos. Schnell bin ich umgezogen und springe ins kühle, erfrischende Nass. Das Schwimmen neben den Seerosen, mit Blick auf die Mythen erquickt auch meine Augen.

Ich prüfe die Rückreiseverbindungen der ÖV. Aha, Gleisschaden zwischen Zürich und Schaffhausen. Eine spätere Verbindung scheint in Ordnung zu sein. So bestelle ich einen leckeren Flammkuchen beim Badikiosk. Als ich später erneut die Verbindung prüfe – Mist, der Gleisschaden scheint gravierender zu sein. Mehrere Verbindungen sind jetzt mit Ausfall notiert. Tja, dann eben über Winterthur, auch wenn da schon seit längerer Zeit auch ein Bahnersatz verkehrt. Die Heimreise scheint nicht mehr enden zu wollen.

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