Vor über zwei Jahren habe ich diese Tour in den sozialen Medien entdeckt und auf meine Wunschliste genommen. Heute ist es soweit, und die Vorfreude gross. Ausgangs- und Treffpunkt ist der Bahnhof Frinvillier-Taubenloch, wo ich den Organisator der Wanderung und die Mitwandernden treffe.
Kraxeln im ersten Schwierigkeitsgrad und ein Aufstieg durch Wald und Felswände im T4+-Bereich ist angesagt. Über rund 700 Höhenmeter verteilen sich die nach dem Regen doch noch ziemlich rutschigen Trampelpfade. Immer wieder helfen montierte Seile über ausgesetzte Stellen. Die Wegfindung ist teils knifflig, denn das Gebiet hält zig Kletterrouten bereit, und so gibt es immer wieder auch Pfade, welche auch zu den vielen, mit individuellen Namen verzeichneten Kletterrouten führen. Dank der guten Vorbereitung des Organisators und dem ortskundigen Kollegen Marc finden wir den richtigen «Wanderweg». Zwischen stattlichen Föhren und Buchen steigen wir stetig bergauf. Genauer genommen sind wir rund um die Felsbänder zwischen La Charuque und Sur les Roches unterwegs. Konkret heissen unsere Wege und Eckpunkte «Sentier des Echelles», «Sentier des Failaises» und «Martinsklafter». Die Pfädli hier haben Nummern und sind in einem Büchlein beschrieben, sagt Organisator Pius.
Wir gehen spannenden Felswänden entlang, klettern über Felsabschnitte, kraxeln über kettengesicherte Vorsprünge hoch und queren steile Hänge. Umgeben sind wir ständig von moosbewachsenen Felsen, Baumstrünken und -ästen. Die Natur ist unbeschreiblich schön.
Die Felswände präsentieren sich zwischen weiss-grau-schwarz, sind mit zahlreichen Nischen und Höhlen versehen. Marc meint, es gäbe hier ein komplexes Höhlensystem. Hm, interessant, aber weniger mein Ding. Ich bleibe lieber an der Oberfläche. Wir bewegen uns fort über weitere felsige Passagen, entlang der Felswand und stehen bald vor der ersten Leiter. Unser Organisator instruiert die richtige Handhabung mit einer Spezialeinlage. Nach weiteren kettengesicherten Abschnitten stehen wir dann vor einem der grossen Höhepunkte dieser Tour: Doppelleiter und Felsbogen. Hier verweilen wir einen Moment, denn die reizvolle Umgebung will von allen fotografisch festgehalten werden. Es wird posiert und gelacht – wirklich ein einwandfreies Miteinander.
Schliesslich steigen wir die beiden Leitern nahe am Felsabbruch entlang hoch und befinden uns kurz darauf auf dem Plateau. Nun gehen wir zügig zum Aussichtspunkt mit Bänkli. Von hier aus können wir den Bielersee sehen, blicken hinüber nach Magglingen und hinunter zu Rondchàtel (eine vermutete Burg römischen Ursprungs, deren Existenz allerdings ungesichert ist) und der Anlage La Reuchenette (eine typische Klus-Sperre, als Fortsetzung der Sperre Sonceboz-Biel). Die Autostrasse zieht sich wie eine graue Schlange durch die bewaldete Umgebung. Verpflegungspause, gute Gespräche und Sonnenschein, was willst du mehr.
Bald darauf gehen wir ein Stück zurück und suchen den Abzweiger, der zum Nid d’Aigle führt. Die Markierung an der Buche wurde retuschiert, aus welchen Gründen auch immer. Die Kette um einen Baum verrät den Einstieg in den Abstieg 😉 Wir tragen für diesen Abschnitt die Helme, da durch die Ausgesetztheit auch etliche lose Steine liegen. Genau jetzt beginnt es zu nieseln. Tja, der Untergrund wird dadurch noch etwas rutschiger, und wir halten uns gut an den Seilsicherungen fest. Das Adlernest ist eine kleine Felsnische, und der Weg dorthin und zurück ist abenteuerlich. Auch hier sind zahlreiche Kletterrouten in dunkelroter Schrift am Felsen angeschrieben.
Nach diesem Abstecher führen wir unsere Route fort über den Sentier des Falaises. Der Pfad führt wieder zwischen wildem Grün und stattlichen Bäumen hindurch. Wir gehen vorsichtig abwärts, es ist immer noch ziemlich rutschig. Nach einem wunderbaren Aussichtsfelsen folgt die nächste Schlüsselstelle. Beim «Klemmbock» heisst es, über zirka drei Meter abzuklettern. Ein Seil hilft dabei. Und der Name dieser Stelle kommt nicht von ungefähr – tatsächlich klemmt ein grosser Felsbrocken zwischen zwei Felswänden. Dahinter geht’s steil hinunter.
Dann treffen wir wieder auf den Pfad, den wir beim Aufstieg begingen. Wir entschliessen uns bei einer weiteren Abzweigung, nochmals ein kleines Stück des Weges hinauf zu gehen, damit wir für den Rückweg eine andere Variante geniessen können. Dieser mit blauen Punkten markierte Pfad führt uns erneut durch den prächtigen Wald und endet beim «Martinsklafter» – ein letzter kurzer, felsiger Abstieg mit Hilfe von Eisenklammern.
Pünktlich sind wir am Bahnhof zurück. Es ist erst 15 Uhr. So entschliessen wir uns, noch zu viert durch die wildromantische Taubenlochschlucht zu wandern. Unser Lokalmatador meint, so viel Wasser hätte er noch nie zuvor gesehen. Unten fliesst die Schüss / la Suze, oben über die Brücken der Strassenverkehr. Wir erwischen also einen idealen Zeitpunkt. Ich könnte mich hier stundenlang verweilen. Wie ich solche wilden und mehrheitlich der Natur überlassenen Gegenden liebe: All das lebendige Grün der Vegetation, spannendste und überhängende Felsformationen, sprudelnde Wasserläufe, zwitschernde Vögel – eine märchenhafte Kulisse. Tatsächlich entdecken wir in einer kleineren Felshöhle eine Taube. Sie scheinen sich hier doch aufzuhalten und nisten vielleicht auch hier.
In Biel verkleinert sich die Gruppe nochmals ein wenig. Zu Dritt lassen wir den wunderbaren Tag am steilen Hang des Jurakamms bei in einem Café am Bahnhof Revue passieren. Glücklich und erfüllt trete ich den Heimweg an. Das war ein rundum perfekter Tag.
Weitere Informationen zum Martinsklafter / Toise de Saint-Martin:
https://de.wikipedia.org/wiki/Martinsklafter (aufgerufen am 26.05.2024)
https://www.kultur.bkd.be.ch/content/dam/kultur_bkd/dokumente-bilder/de/themen/archaeologie/publikationen-archaeologie/weitere-publikationen-archaeologie/flyer/Roemerstrasse-Jura-de.pdf (aufgerufen am 26.05.2024)
Hier erfährst du mehr über die Taubenlochschlucht:
https://taubenloch.ch/ (aufgerufen am 26.05.2024)