Ein sonniges Wochenende im Val Surses, genauer in Savognin, steht an. Meine Schwester und mein Schwager fahren für eine Woche in die Skiferien, und ich darf für’s Wochenende mit. Im familienfreundlichen Schneesportdorf angekommen, kaufen wir Lebensmittel ein. Anschliessend geniessen wir die wärmenden Sonnenstrahlen durch das Dorf und den Skiübungshang streifend. Die Beine etwas vertreten tut gut nach der Autofahrt. Mehr oder weniger sieht es in Savognin immer noch wie früher aus, lediglich ein paar Gebäude wurden renoviert oder neu erstellt.
Schliesslich treffen wir in einem Café eine befreundete Familie, mit welcher wir früher jeden Winter das Skiabenteuer teilten. Nach der Unterhaltung, bei der wir erneut in lustigen Erinnerungen schwelgten, freue ich mich über das immer wieder faszinierende Alpenglühn. Ich hatte mir den Piz Mitgel in leuchtend orange gewünscht, und siehe da, der imposante Berg erstrahlt im Licht der Abendsonne.
Wir beziehen die gemietete Wohnung und geniessen ein leckeres Fondue, selbstverständlich mit Käse aus dem Dorfladen. Mein Schlaf in der Nacht ist eher unruhig, und irgendwann höre ich klirrende und scherbelnde Geräusche. «Komisch», denke ich, bin jedoch zu faul um aufzustehen und nachzusehen. Ich hätte wahrscheinlich so oder so nichts erkennen können. *
Gestärkt nach dem Frühstück tags darauf mache ich mich mit den Schneeschuhen auf den Weg, während meine Schwester und ihr Mann die Ski packen. Meine Tour beginnt bei der Kirche Son Martegn und führt leicht und stetig ansteigend via Parseiras, Parnoz, la Foppa zur ehemaligen Mittelstation Malmigiucr der schon längst nicht mehr existierenden Gondelbahn, und dann über Fotgs nach Tigignas. Es ist eine leichte Schneeschuhtour, denn ich möchte es gemütlich nehmen. Die Schneekristalle glitzern in der Sonne. Da und dort zauberte gefrorenes Wasser faszinierende «Skulpturen». Der Weg führt angenehm bergauf und folgt mehr oder weniger dem Sommerwanderweg. Ich geniesse das einsame Schneemeer sehr, denn die Skipisten führen anderweitig durch die Hügel. Der Himmel ist fast wolkenfrei. Die umliegenden Berge erscheinen mir interessant, obwohl ich sie als Kind und Teenager ja jeden Winter während zwei Wochen im Blickfeld hatte. Im Bergrestaurant Tigignas treffe ich schliesslich wieder auf Corinne und Michael, die sich die Bäuche bereits im «Roggis» vollgeschlagen haben. Das Beizli von Roggi war früher ein stets überfüllter Geheimtipp, heute bietet das Lokal einige Sitzplätze mehr.
Nach einer Verpflegungspause verabschiede ich mich und nehme den Winterwanderweg via Riom nach Savognin zurück. Dies gibt mir die Gelegenheit, die Burg in Riom nach zig Jahren wieder einmal aus der Nähe zu betrachten. Als Kind schon fiel sie mir immer auf – kein Wunder, ist sie doch der grösste spätmittelalterliche Profanbau im Kanton Graubünden und steht an der alten Römerstrasse, der früher wichtigsten Route über die Alpen in den Süden.
Ich komme zeitlich passend bei der Busstation an, sodass es zehn Minuten später bereits auf Rädern in Richtung Thusis weiter geht. Schön war’s in meiner ehemaligen «Skiferien-Heimat». Mein Ziel Savognin – der Werbeslogan ist seither unverändert.
* Es stellte sich später heraus, dass sich auf der Hauptstrasse ein Autounfall ereignete, wobei sich das betrunken gelenkte Fahrzeug nach verlorener Fahrkontrolle 2x überschlug, in eine Hauswand krachte und auf dem Dach liegen blieb. Die von mir gehörten Geräusche waren wohl die zerberstenden Scheiben und die mit Schwung verbeulte Karosserie.