Drei Gipfel an einem Tag zu erklimmen, davon deren zwei auf weiss-blau-weisser Route, das ist die Lidernen-Trilogie. Die reine Gehzeit gemäss Swisstopo beträgt rund sechs Stunden für diese konditionell anspruchsvolle Tour über rund 1’400 Höhenmeter auf- und abwärts. Ich mache mich mit Karin auf den Weg. Ich habe sie am Vorabend in der Lidernenhütte kennengelernt. Auch sie ist ein paar Tage im Gebiet unterwegs. Diese SAC-Hütte als «Basislager» zu haben ist ganz praktisch, denn es gibt hier wirklich tolle Wanderwege.
Eine Webseite beschreibt es absolut treffend: «Die Lidernen-Trilogie gehört zweifellos zu den attraktivsten Alpinwanderungen (bis T4+) weitherum. Die Gegensätze zwischen den saftigen Alpwiesen und den schroffen Kalkklippen der Lidernen könnten grösser nicht sein – Dolomiten-Feeling garantiert.»
Wir wandern am Schmalstöckli und an einigen kleineren Seelein vorbei. Das Sonnenlicht am Morgen ist wunderschön und taucht vor allem die Gegend mit Blick in Richtung Klingenstock, Fronalpstock und Urnersee in schöne Farben – (K)-Chaiserwetter sozusagen. Karins Plan war, direkt über das Liderner Plänggeli gegen Süden abzusteigen, doch sie entscheidet sich während dem gemeinsamen Aufstieg, doch noch mit mir auf den Chaiserstock zu steigen. Ich freue mich über die Begleitung, und so befinden wir uns schon bald im rein steinigen Abschnitt zum Chaisertor hin. Kurz vor dem Chaisertor sind die ersten Fixseile und Eisentritte montiert. Noch sind wir im westseits windgeschützten Bereich. Kaum in der Scharte des Chaisertors angekommen, pustet uns der Wind um die Ohren – Standfestigkeit ist gefragt. Hui, die Böen sind wirklich stark. Jetzt beginnt die Kraxelpassage. Wir freuen uns und wählen sorgfältig unsere Tritte. Heute sind uns die etlichen Seilversicherungen hilfreich, denn über den felsigen Grat pustet uns der Wind weiterhin fast weg. Ich habe ständig die Haare im Gesicht und ziehe mir das Schlauchhalstuch über den Kopf. Sodeli, nun sehe ich auch wieder, wohin ich trete. Und Läck Bobby, hier gibt’s ja eine Kette mit handflächengrossen Gliedern – tja, das ist ja mal ein Prachtsexemplar von Sicherungskette! Immer noch im prächtigen Morgenlicht erreichen wir den Gipfel. Welch ein Panorama! Einmal mehr komme ich aus dem Staunen kaum heraus. Es ist einfach so schööööööön, egal in welche Himmelsrichtung ich blicke. Gipfel Nummer 1 erreicht: Chaiserstock, 2’515 M.ü.M. Nun geht’s ein Stück denselben Weg zurück. Wir picknicken in der Nähe des kunstvoll erschaffenen Adlers von Bildhauer Hans Gisler. Doku dazu, (aufgerufen am 21.10.2023), https://www.ardmediathek.de/video/traumziele/vierwaldstaettersee-blaues-juwel-der-schweiz/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE5MjU3Mzc ab Min. 40 bis ca. 45
Beim Liderner Plänggeli verabschiede ich mich von Karin und wandere zur Rossstocklücke. Ich visiere Gipfel Nummer 2 an – den Fulen, 2’491 M.ü.M. Der schmale Weg ist mit losem Geröll übersät, und an gewissen Stellen denke ich beim Hinaufsteigen «wie komme ich da nur wieder hinunter?». Doch darum kümmere ich mich später. Denn als ich über einen Felsvorsprung klettere, fliegen Alpenschneehühner davon. In einiger Distanz lassen sie sich wieder nieder, sodass es mit Zoom doch noch geht, einigermassen akzeptable Fotos zu schiessen. Wolken verdecken unterdessen die Sonne, der Wind pfeift noch immer und ich erreiche den Fulen. Auch hier darf ich ein beeindruckendes Bergpanorama geniessen. Dieser Gipfel wird nicht so oft bestiegen, doch es lohnt sich auf jeden Fall. Auch hier geht es denselben Weg bis zur Rossstocklücke zurück.
Nun steht noch der Rossstock aus, der einfachste der Trilogie. Deshalb habe ich die Route auch so herum gewählt. Eine Banane gibt mir nochmals Energie. Ich stelle mich auf einen einfachen Weg ein, denn ab jetzt ist er ja weiss-rot-weiss markiert. Zu meiner Überraschung gibt es doch noch eine kleine Kletterei mit Kette. Und wie schön, wenn man dann vor einem Wegweiser steht, der anzeigt, dass der Gipfel nur noch 15 Minuten entfernt ist. Den Rossstock mit einer Höhe von 2’461 M.ü.M. erreiche ich bei sehr unbeständigem Wetter. Fängt es gleich an zu regnen oder ziehen die dunklen Wolken weiter? Zwischen den gewitterig aussehenden Wolken bricht das Sonnenlicht hindurch. Mir gefällt die Stimmung, allerdings immer weniger der ständige Wind. Ich bin überglücklich, auf Gipfel Nummer drei zu stehen – Trilogie geschafft! Und ja, darauf bin ich stolz.
Es folgt noch eine gute Stunde Abstieg über grasbewachsene Hänge zurück zur Lidernenhütte. Heute ist der Blick auf den Spilauersee frei und kaum bin ich 20 Minuten talwärts gewandert, zieht der Himmel auf und die Sonne kommt kräftig durch. Tja, das wäre mir auf dem Rossstock oben lieber gewesen. Tant pis, ich mache auf dem Rückweg ein paar kleine Abstecher vom Hauptpfad und picknicke an kleinen Seelein und Anhöhen. Ich geniesse die Ruhe, denn auch hier ist das Vieh schon wieder im Tal. Es zieren nur noch etliche «Alpentörtchen» die Weiden.
Eine Besonderheit entdecke ich noch: Auf einem Stein kriecht ein …., nun ja, wie heisst dieses Lebewesen wohl? Es sieht aus wie eine Made mit einem Stachelschwanz. Ich recherchiere: Das ist eine Rattenschwanzlarve, die sich zu einer Mistbiene entwickelt. An diesem Beispiel sieht man, wie facettenreich die Natur doch ist. Hätte jetzt nie gedacht, dass aus so einem «spooky» aussehenden «Engerling» eine Biene wird.
Die Lidernen-Trilogie – das Puzzle passt 🙂 Danke für diesen abwechslungsreichen und landschaftlich sehr eindrucksvollen Wandertag. Ich komme wieder – den weitere Gipfel dieser Bergkette stehen noch aus…