Mystische Kobolde und grüne Feen
Mai 21, 2023

Im Angebot: Ein Wochenende zwischen Anstrengung und Verzauberung. Da sagen ein Arbeitskollege und ich gerne ja. Wir treffen uns am Bahnhof Zürich und fahren gemeinsam im Zug nach Boudry.

Der erste Höhepunkt folgt nach wenigen Schritten. Zu Beginn des Weges fragen wir uns noch, was wohl Taucher hierher lockt. Wenige Schritte weiter wissen wir warum. Was rund 300 Meter zuvor noch ein ruhig dahinplätschernder Bach war, zeigt sich jetzt als ersten Schluchtabschnitt mit tiefem Wasserbecken. Ein Abenteuerplatz für Taucher, eine wunderschöne Ecke für Wanderer.

Der Weg durch die Gorge de l‘Areuse führt weiter über Stege und Treppen, durch felsige Engpässe und entlang an schroffen Felswänden. Mein Herz schlägt in solcher Naturszenerie höher. Das satte und saftige Grün von frisch spriessenden Blättern und Moosen, in Kombination mit den Grautönen der Steine und Felsen ist Spielwiese für Kobolde und Feen – bezaubernder Märchenwald. Die Areuse fliesst mal ruhiger, mal schneller zwischen den Felsblöcken hindurch. Vogelgezwitscher begleitet uns, Menschen begegnen uns nur ein paar wenige.

Wir überqueren den Steg der Expo 02. Die „Lattenrost“-Brücke ist zwar vom Design her witzig, versperrt allerdings den Blick. Kurze Verschnauf- und Snackpause, worauf ein eher langweiliger Abschnitt auf Teerstrasse folgt. Beim Hotel/Restaurant De La Truite in Champ-du-Moulin gönnen wir uns ein Bière blanche. Hier finden etliche Menschen zusammen – tja, man kann mit dem Auto hinfahren. So spazieren denn auch deutlich mehr Leute bachaufwärts, wo es mehrere Stauwehre gibt. Nach wenigen Wegbiegungen ist auch dies klar: Voilà, hier ist sie, die berühmte Steinbrücke über diesen Schluchtenabschnitt. Alle möchten Fotos mit möglichst wenig anderen Menschen drauf, und so dauert es eine Weile, bis auch ich ein paar Bilder im Kasten habe, worauf nicht nur Menschen mit leuchtend farbiger Bekleidung sind. Meinem Begleiter danke ich fürs geduldige Warten an dieser Stelle 😉

Kurze Zeit später sind wir in Noiraigue und checken in der Herberge gegenüber dem Bahnhof ein. Wir haben ein Dortoir gebucht und teilen das Zimmer mit drei weiteren Gästen. Asterix und Obelix winken uns vom Dachvorsprung des Nebengebäudes entgegen. Nach einem gemütlichen Spaziergang durchs Dorf gönne ich mir zum Apéro einen Absinth. Nur schon wegen den wunderschön geformten Glasfontänen lohnt es sich. Fast 100 Jahre lang war der Konsum der grünen Fee verboten – hergestellt und getrunken wurde sie trotzdem. Mich fasziniert die Vermengung mit eiskaltem Wasser, welches das Elixier weiss und rauchig macht. Das Heilmittel wirkt – ich schlafe gut, und der Beigeschmack des Verbotenen ist so oder so längst verraucht. Bonne nuit in der Welt der Feen.

Gestärkt dank des leckeren Frühstücks machen wir uns tags darauf auf den Weg zum Creux du Van. Die schwindelerregende und unverwechselbare Felsenarena in Form eines Hufeisens wird auch als Grand Canyon der Schweiz bezeichnet. Zuerst steigt der Weg gemächlich, dann steil an. Es sind immerhin über 700 Höhenmeter zu überwinden. Im oberen Wegabschnitt schaut eine Frau ins Gehölz und deutet mit der Hand auf etwas. Als wir uns nähern, sehen wir, was auch sie entdeckte. Ein Steinbock liegt unauffällig im Gebüsch, nur etwa drei Meter abseits des Weges. Etwas weiter entfernt rasten zwei Steingeissen. Da sie sich alle kaum bewegen, gehen die meisten Wandernden an den Tieren vorbei. Kurze Zeit später sind wir oben. Die grandiosen Ausblicke in die umliegende Landschaft und in den tiefen Talkessel sind atemberaubend.

Bei der Ferme du Soliat befeuchten wir den trockenen Rachen mit einem weiteren Bière blanche. Dann ein letzter Blick ins steinerne Hufeisen, und der Abstieg nach Noiraigue beginnt. Vor der Abreise aus der République et Canton de Neuchâtel nochmals eine „heure verte“ mit Absinth-Eis und Einkauf von zwei kleinen Flaschen als Mitbringsel for me, myself and I.

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