Geschützte, intakte Natur
Juli 23, 2022

Das Val Lumnezia erstreckt sich 25 Kilometer ab Ilanz und ist das grösste Seitental der Surselva. Ich reise am Vorabend nach Lumbrein, wo Wanderkollegin Sandra eine Zweitwohnung hat. In der Besenbeiz von Silgin geniessen wir Gschwellti und lauschen dem Rätoromanisch unserer Gastgeber – nicht jedoch, bevor wir zu Fuss die Hängebrücke dorthin überschreiten.

Ziel der kommenden zwei Tage ist die Greina Hochebene. Schon so oft habe ich Menschen begeistert davon erzählen gehört. So wuchs der Wunsch, selbst einmal dieses absolut naturbelassene Gebiet mit eigenen Augen zu sehen. Früher war es ein Geheimtipp für Naturliebhaber. Mittlerweile – oder genauer seit 1985 – ist die Greina auch Inbegriff eines erfolgreichen Kampfes gegen die Zerstörung dieser einzigartigen Landschaft. Landesweit wurde gegen ein Wasserkraftwerksprojekt mit Stausee protestiert, mit Erfolg. Die Biotopenvielfalt der Greina-Ebene ist aussergewöhnlich und einzigartig. Sie wurde deshalb 1996 als Schutzzone ins Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen.

Stetig aufwärts wandern wir die kommenden rund zwei Stunden auf den Pass Diesrut. Leichter Regen wechselt sich ab mit sonnigen Abschnitten, und oben auf dem Pass zieht der Wind recht kühl durch. Alpbauern treiben ihre Kuhherde etwas zusammen, was jedoch nicht allen Tieren gefällt. Einige laufen muhend in die andere Richtung, andere beobachten die Stock schwingende und rufende Sennerin aus der Ferne.

Greina-Ebene: Unendlich scheinende Natur pur!

Der Wanderweg führt wieder abwärts und plötzlich öffnet sich der Ausblick auf die ungefähr sechs Kilometer lange und einen Kilometer breite Hochebene auf einer Höhe von rund 2‘200 Metern. Der Anblick verschlägt mir kurz den Atem! Weiter hinunter gehen wir Schritt für Schritt, fortwährend die unendlich scheinende Greinaebene vor uns im Blickfeld. Der mäandernden Rein da Sumvitg durchfliesst wie ein silbern leuchtendes Aderwerk die grüne Ebene. Um einfacher und sicherer zur Terrihütte zu gelangen, wurde 2018 eine 65 Meter lange Hängebrücke erbaut. Die Punt la Greina ist eine Stahlseilkonstruktion. Bei Hängebrücken schlägt mein Herz stets höher, allerdings aus purer Freude!

Wenn die Sonnenstrahlen die Wolkendecke durchbrechen, wird die Ebene in Hell-Dunkel-Schattierungen getaucht. Bei der Terrihütte kommen wir schon früh nachmittags an, gerade rechtzeitig, bevor ein starker Regenguss die Landschaft benetzt. Während einer späteren, trockenen Wetterphase erkunden wir die Umgebung der Hütte und sehen Murmeltiere und Steinböcke. Später während des Abendessens, dreht der Wettergott den Wasserhahn ganz auf und hüllt die ganze Landschaft in blickdichtes Grau. Mit über 100 Schlafplätzen ist die Terrihütte eine der grössten SAC-Hütten der Schweiz. Der Lärmpegel dieser Menschenmenge ist entsprechend, sprich für mich fast zu viel. Ich haue mich daher schon früh aufs Ohr.

Der Sonntag zeigt sich sonniger. Wir ziehen noch eine Schlaufe durch die unberührte Bergwelt. Ich lasse mich von den verschiedenen Anblicken verzaubern. Kleine Seen, grüne Grasflächen mit Wollgras, schroffe Felswände und über die Weiten davonhuschende Murmeltiere. Eines dieser putzigen Tiere kommt uns bei einer kurzen Rast recht nahe, als wolle es sagen: Habt ihr für mich auch etwas zum Naschen?

Auf dem Rückweg nach Puzzatsch treffen wir eine alleinwandernde Frau. Wir kommen ins Gespräch und ziehen zu Dritt weiter bis zum Ausgangspunkt. Sandra bleibt noch in Lumbrein und ich fahre heim. Der Bus zurück nach Ilanz füllt sich nicht nur mit Wandersleuten – nein, auch vom Open Air gesellen sich noch ein paar hype Menschen dazu. Dann geniesse ich noch einmal die Zugfahrt durch die imposante Rheinschlucht – zwischen Chur und Zürich ist Nickerchenzeit.

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