Heute steht eine für mich besondere Route auf dem Programm. Da ich es stets etwas schwierig finde, blau-weiss markierte Wanderwege richtig einzuschätzen, habe ich mich vorab über diverse Kanäle erkundigt. Auf Solotour möchte ich jeweils schon etwas genauer wissen, ob mich nur ein paar kurze Schlüsselstellen erwarten oder ob ein Grossteil der Route ausgesetzt und anspruchsvoll ist.
Um Kraft für den Tag zu sparen, fahre ich mit der Gondelbahn auf die Alp Sigel. Wie ich in Gesprächen beim Anstehen erfahre, planen weitere Wanderer dieselbe Route, und ich begegne den einen oder andern somit immer wieder. Über die wunderschön gelegene Alp Sigel lässt sich die Muskulatur gut lockern und aufwärmen. Weiter geht’s über die Obere Mans hoch zur Bogartenlücke. Der markante Felszahn – das Bogartenmannli – ist schon von weitem zu sehen und bald stehe ich in der Lücke, wo sich der Blick tief in beide Täler öffnet. Die Hütten der Alp Bogarten sind in der Nähe zu sehen; sie stehen auf einer kleinen Fläche neben steil abfallenden Felsen.
Nach kurzer Verschnaufpause ziehe ich weiter. Nun beginnt der blau-weiss markierte Alpinwanderweg. Sogleich steigt dieser recht steil an und erste felsige „Kraxelpassagen“ sind zu meistern. Hier ist nichts mehr gesichert, das heisst, die Tritte wollen auf dem teilweise nass-rutschigen Untergrund gut gewählt sein. Aber auch die Hände dürfen wohl platziert sein, um ideale Haltegriffe im Fels zu finden. Ich konzentriere mich, spüre die Aufregung gemischt mit „komm, das ist gut machbar“. Dennoch bin ich froh, hier nicht ausgerutscht zu sein. Es folgt noch eine Querpassage, die etwas erhöhte Aufmerksamkeit benötigt. Nun geht es über angenehm geneigte Rasenhänge den Grat entlang bis zum Gipfelkreuz auf 1‘991 M.ü.M.
Wiesenhang Yeah! Gipfel erreicht. Ja, der Kante entlang geht der Weg.
Bei der Marwees handelt es sich um einen massiven Berg, der von Felsbänken und Rasenhängen durchsetzt ist. Der Alpinwanderweg führt meist den Grat entlang. Die Nordflanke fällt gegen den Seealpsee steil ab, während der Südosthang üppig mit Rasen bedeckt ist. In den Ostalpen kommt das romanische Wort „Marra“ (Stein / Geröll) oft in Flurnamen vor. Beim Recherchieren fand ich zudem den Hinweis auf “Wiese in der Flur Mar“.
Kurz nach mir erreichen zwei Damen den Gipfel, und die eine trägt eine grössere, professionelle Filmkamera mit. Erstaunt realisiere ich, dass diese eine Reportage dreht und die interviewte Frau aus dem Team stammt, das die massive Holz-Gipfelbank hier hinauf getragen hat. Wieder einmal eine interessante Begegnung an einem ungewöhnlichen Ort abseits der Massen. Ich bin dankbar für diesen Moment.
Beim Widderalpsattel entscheide ich mich, über die Widderalp abzusteigen. Der Weg führt neben den steil abfallenden Felsflanken der Widderalpstöcke und dem Hundstein entlang. Plötzlich höre ich ein Bohrgeräusch und entdecke schliesslich hoch oben an einer steilen Felswand einen Kletterer, der wohl neue Sicherungen für die Besteigung setzt. Zu meiner Linken zeigen sich die drei Türme der Dreifaltigkeit – einmal mehr Wow!
Nähe Wideralpsattel geknickter Fels Dreifaltigkeit
Der Schlussabstieg vom Sämtisersee via dem steilen, jedoch klimabedingt wilden und sehenswerten Brüeltobel nach Brülisau geht mächtig in die Beine, und ich bin schliesslich ziemlich fix und foxi, aber glücklich.