Grösste Kalkarena der Schweiz
August 10, 2024

Gähn, einmal mehr klingelt der Wecker in aller Früh. Ich stehe allerdings gerne auf für Wandertage. Dieses Mal sind wir zumindest am ersten Tag zu Dritt unterwegs – ich darf mit Peter und Sandra mit. Mit dem Auto geht es via Muotathal nach ganz hinten ins Sahli-Tal, wo die Kleinseilbahn auf die Glattalp hochführt. Diese überlassen wir anderen Gästen. Wir bewältigen den rund zweistündigen Aufstieg zu Fuss. Der Weg führt abwechslungsreich über Weiden und durch gerölligere Passagen. Umrahmt sind wir ständig von den Felsen der Milchbüelen. Plötzlich hören wir einen Helikopter und sehen, wie eine Kuh ins Tal geflogen wird. Was ist wohl der Grund dafür?

Auf der Glattalp angekommen, besuchen wir die Älplerfamilie. Meine Begleitpersonen kennen Beatrice und Dani schon länger. Ursprünglich wollten sie das älplern einfach mal ausprobieren. Freude und Passion wuchsen, und mittlerweile sind sie schon den 32. Sommer hier oben und schauen zusammen mit Älpler Toni Jahr für Jahr nach den ihnen anvertrauten Tieren mehrerer Bauern und stellen leckeren Alpkäse her. Wir sind zum Mittagessen mit der Familie eingeladen. Dani bestätigt dann auch, dass es ein Tier aus seiner Obhut war, welches leicht verletzt per «Flugpost» ins Tal gebracht werden musste.

Nachmittags schlendern wir um den See. Irgendwie liegt das Wasser dieses Jahr anders. Der Hauptsee hat noch ein schmuckes Nebenseelein erhalten. Auf einem grossen Stein liegend geniessen wir die warmen Sonnenstrahlen und das «dolce far niente». Ab und zu schweift mein Blick zur Bergkette vom Rot Nossen, Signalstock und den Jegerstöck bis zum Ortstock, weiter zum Höch Turren und über die Chilchberge zurück. Es gibt einige kuriose Felsformationen zu sehen, welche die Fantasie durchaus anregen. Viele Kühe, Schafe und Ziegen tummeln sich ebenfalls gemütlich auf den Alpweiden. Ihre innere Uhr weiss jedoch genau, wann es für sie Futter gibt, und so kehren einige von selbst zurück. Es ist hier fast wie in einem Zoo: Rinder, Kühe, Schafe, Ziegen, Pferde und Schweine fläzen auf den grosszügigen Weideflächen. Peter geht später nochmals bei den Bergbauern vorbei, denn Beatrice setzt die Milch für den neuen Käse an. Abends gibt es für uns – mittlerweile sind wir noch zu zweit – im Berggasthaus Glattalp ein feines Abendessen.

Die Glattalp ist für tiefe Temperaturen bekannt (Rekord -52.5 °C). So fällt das Thermometer auch diese Nacht unter die 10 Grad, sodass frühmorgens die Matten taubedeckt sind. Im ersten Sonnenlicht glitzern somit die Wiesen und lassen jede kleine Wasserperle an den Gräsern schillern. Und klar, Peter war auch diese Nacht draussen beim Mond- und Sternegucken.

Zeitig ziehen wir am nächsten Tag los. Wir wollen über das Märrenplateau zum Urnerboden. Da stehen ein paar Höhenmeter an. Zuerst führt uns der Wanderweg über eine wie eben beschriebene hellgrün-silbrig schillernde Alpwiese des Schafbodens. Ein wunderschönes Bild für Herz und Seele. Bald schon steigt der Pfad leicht an – ein typischer weiss-rot-weisser Bergwanderweg. Alsbald folgen die weiss-blau-weissen Abschnitte. Und dann schreiten wir nur noch durch gerölliges und felsiges Gelände. Wir befinden uns in der Inner Brüelchälen, ein Schattenloch. So liegt hier auch noch etwas Restschnee, welchen wir problemlos queren können. So vor den senkrechten Felswänden der hufeisenförmigen Inner Brüelchälen stehend, fragt man sich, wo es hier weiter gehen soll. Der Weg führt uns alsbald nach rechts und siehe da, über ein paar wenige kleinere Felsstufen erreichen wir das Karst-Plateau. Tatsächlich ist es bis zum Mären nicht mehr weit. Das eiserne Kreuz ist schon sichtbar. Das schön verzierte Schmiedehandwerk gehört zu den attraktiveren Gipfelkreuzen.

Aussicht vom Mären (Foto: Peter W.)

Weshalb sich dieser Aufstieg auf jeden Fall lohnt ist das umwerfende 360 Grad-Panorama. Ich habe in den letzten meiner Wanderjahre doch schon einige beeindruckende Bergpanoramen sehen dürfen. Der Ausblick hier zählt für mich definitiv zu den Top 10. Nachdem ich mich sattgesehen habe, ziehen wir über das Karst-Plateau weiter. Einzelne Karrenmuster sind äusserst kunstvoll und zeigen, wie sich das Wasser durch den weicheren Kalk den Weg bahnt. Mehr oder weniger eben führt uns der Wanderweg über den Karst. In einigen Felslöchern liegt noch Schnee. Auch wenn der Weg klar gekennzeichnet ist, gilt es aufzupassen. Karst ist oft sehr scharfkantig und etliche kleinere Löcher und Furchen sind erst auf den zweiten Blick sichtbar. Zwischen dem Glatten und dem Märenspitz liegt eine riesige ziemlich kompakte Karstplatte. Ich krieg mich vor lauter Begeisterung fast nicht mehr ein… Mir gefällt diese karge und urtümliche Landschaft äusserst gut. Dieses Gebiet zwischen dem Pragel- und Klausenpass ist mit gut 50 Quadratkilometern die grösste zusammenhängende Karstlandschaft der Schweiz.

Infolge eines Fussvertreters lassen wir den geplanten Läckistock aus. Nach kurzer Rast nähern wir uns dem Firner Loch und steigen diesen Couloir hinunter. Läck Bobby, das ist recht mühsam in diesem losen Geröll. Jeder Schritt darf geprüft werden – hälts oder rutschts? Die felsigen Flanken zu unserer Linken und Rechten öffnen sich mehr und mehr, und unsere Schritte gehen wieder über saftige Alpwiesen. Hier wachsen Wollgräser und Purpurenziane – beide Pflanzen gehören zu meiner Lieblingsflora. An einem grösseren Felsblock prangt ein Glaralpina-Schild – ja wir sind auf Etappe 7 dieses Weitwanderwegs unterwegs.

Bei der Alp Firnen schenkt uns die Älplerin einen selbstgemachten Hollundersirup. Sie besteht darauf, kein Geld für das erfrischende Getränk annehmen zu wollen. So ziehen wir nach einer Plauderrunde gestärkt weiter in den letzten Abstieg zum Urnerboden. Wir sind weiter begleitet von schöner Spätsommerflora. Wieder im Tal angekommen, sind die Temperaturen deutlich höher. Bis das Postauto fährt, gönnen wir uns noch eine Erfrischung und ein Stück Alpkäse darf mit mir die Heimreise antreten.

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