Landschaftlich steht mir heute Abwechslung bevor. Ich freue mich auf die erneute Solotour, die ich in meinem Tempo und nach meinem Geschmack und Genuss ablaufen kann. Den ersten «Anstieg» von etwa 1’600 Höhenmetern mache ich per Seilbahn direkt bis zur Bergstation Eggishorn. Obwohl, so direkt ist es nicht. Wegen Regen warte ich bei der Mittelstation auf der Fiescheralp die nächste geplante Bergfahrt ab, und tatsächlich zeigt sich Petrus später etwas freundlicher.
Auf etwas über 2’800 Höhenmeter bequem angekommen, geniesse ich die mittlerweile zarten Sonnenstrahlen, die durch die Wolken dringen. Dieses frühe Morgenlicht begeistert mich und taucht den Grossen Aletschgletscher in wunderbare Farben. Genuss pur, und es müssen nochmals ein paar Fotos sein…
Über den Tälligrat, am Klettersteig vorbei, wandere ich zum Tällisee hinunter. Der Weg hat teils schöne flache Passagen parat, aber auch steinige Abschnitte mit moderatem Blockfels. Begleitet von den Glöckchen der weidenden Schafe gehe ich jetzt bis zum Märjelen-Stausee hinab. Die Gletscherstube bietet hier Beherbergung wie auch Verpflegung an. Ab hier starten ausserdem Gletschertouren. Übrigens könnte man hier auch durch den Tälligrat-Tunnel zur Fiescheralp zurückwandern. Dieser 1 km lange Tunnel wurde in den 1980er Jahren für die Wasserversorgung in der Aletschregion gebaut.
Ich überlege, ob ich noch etwas auf dem Panoramaweg zurückgehen soll, um den Grossen Aletschgletscher besser zu sehen (als hätte ich ihn in den letzten Tagen nicht schon genug betrachtet, hihi). Aus Zeitgründen entscheide ich mich, weiterzugehen und lege auch keine Kaffeepause in der Gletscherstube ein. Petrus möchte es heute nochmals regnen lassen, daher möchte ich nicht zu viel Zeit verlieren.
Über die Märjelewang führt der Wanderweg über noch saftig-grüne Wiesen und Hänge bis zu einem imposanten Aussichtspunkt mit Bänkchen. Hier ist der Blick auf den auslaufenden Fieschgletscher wunderbar. Der Gletscher und seine Zunge sind eingerahmt vom Wannenhorn, Wasenhorn, Setzehorn und Risihorn. Letzteren Gipfel kenne ich vom ersten Wandertag, wo ich die 7 Seen Wanderung ab Bellwald unternahm und diesen Gipfel bestieg. Vom Rastplatz aus erblicke ich auch die ersten rötlichen Felskuppen, durch welche der Wanderweg weiterführt. Vermutlich erhielten sie ihre Farbe durch Mineralien. Es sind fast perfekt geschliffene Felsbuckel, über die streckenweise montierte Holztreppen und Holzgehwege führen. Ich mag diese Abwechslung sehr.
Beim Berggasthaus Burghütte überlege ich kurz, ob jetzt die Kaffeepause fällig wäre. Der Blick gegen den Himmel lässt mich weiterwandern – allerdings nur für ein paar Minuten. Jetzt beginnt es zu nieseln und innert Kürze werden die Wassertropfen dicker und dichter. Tja, dann eben umkehren. Die Burghütte wird somit nicht nur für mich zur «Zwangspause» mit Kaffee und leckerem Kuchen. Für alle Wartenden ist dieser ungeplante Halt eine leichte Geduldsprobe. Wir prüfen regelmässig die Wetter-App, doch erst in etwa einer Stunde gibt es ein trockenes Fenster. Danach soll nochmals ein Regenschauer das Gebiet queren. Die sich entwickelnden Gespräche sind eine angenehme Ablenkung in der Wartezeit.
Endlich hört die Himmelsdusche auf zu tropfen, also schnell los zur Aspi-Titter Hängebrücke. Meine Vorfreude lässt mich etwas schneller gehen, denn ich will sie bei trockenem Wetter überqueren. Spektakulär führt sie 160 Meter weit über die Wysswasserschlucht. Wie ich Hängebrücken liebe…, das sprudelnden Wysswasser rund 120 Meter unter mir und auf beiden Seiten die steilen Bergwände.
Ursprünglich wollte nach Bellwald weiterwandern und in Fürgangen nochmals über die Goms Bridge gehen (hatte ich am ersten Tag schon gemacht). Sie ist mit knapp 100 Metern Höhe und 280 Metern Länge ebenfalls eindrücklich. Ich entscheide mich aufgrund der Zeitverzögerung wegen Wetterumschwung für den direkten Weg ins Fieschertal hinunter, via Raafgarte, Hobrigga und Unnerbärg. Dies stets in Begleitung eines schönen Wasserfalls linkerhand, der jedoch durch einen abfliessenden Kanal vom Gebiet Obflie gespiesen ist. Im hübschen Walliser Weiler Zer Brigge quere ich die historische Steinbrücke aus dem 16. Jahrhundert. Sie soll aus der Römerzeit sein. Dem Lied «Junge Römer» von Falco kann ich nicht entsprechen, fühle mich mittlerweile eher als «müder Hund». Äusserst ruhig ist es hier, auch wenn mir auf dem letzten Wegstück noch Metall-Dinosaurier begegnen (Themenweg Sauriertrail). Das Dorf Fieschertal ruht ebenso in sich, mein heutiger Wanderendpunkt. Der Bus steht schon da, doch der Fahrer macht irgendwo Pause. Auch sonst sind fast keine Menschen zu sehen. Die Abfahrtszeit nähert sich, der Chauffeur ist parat und im Nu bin ich mit dem Bus zurück in Fiesch. Zum Tagesabschluss gönne mir nochmals ein feines Abendessen im lokalen Restaurant, wo Bier-Spezialitäten angeboten werden. Hier ist gar ein Biersommelier im Amt. So runden sich meine Ferientage im Wallis mit einem weiteren famosen Wandererlebnis und exquisiten Gaumenschmaus ab.