Heute ist der grosse Tag für den grossen Aletschgletscher. Seit Jahren habe ich mich darauf gefreut, diesen imposanten Gletscher mit eigenen Augen zu sehen.
Ich fahre nach Mörel, und die Seilbahnen bringen mich hoch zur Riederalp und dem Blausee. Die blaue Farbe scheint intensiver im frühen Sonnenlicht. Und ich bin hier fast alleine – zum einen, weil der Tag noch jung ist, und zum andern, weil sich die meisten gleich bis ganz zur Bergstation Moosfluh hochgondeln lassen. Klar, hier ist eine der vier beliebten Aussichtsplattformen auf den Grossen Aletschgletscher.
Nach wenigen Minuten Aufstieg ab dem Blausee befinde ich mich auf dem Aletsch Panoramaweg, der sich diesen Namen wirklich verdient. Unterwegs habe ich linkerhand den Grossen Aletschgletscher immer im Blickfeld. Doch meine Augen schweifen auch in die wunderschöne Bergwelt rundherum. Beim Glücksstein Depot lege auch ich einen Stein dazu. Ich spüre einen spontanen Impuls und deponiere einen Wunsch dazu.
Via Hohbalm nähere ich mich schliesslich dem Bergrestaurant Bettmerhorn. Bis hierhin ist es ziemlich ruhig entlang des Panoramawegs mit kleinen, schmucken Seelein, worin sich das Sonnenlicht spiegelt. Es ist klar, dass überall dort, wo eine Bahn hinfährt auch mehr Menschen sind. Sie tummeln sich und posen auf der Aussichtsplattform, hier gar mit fix installiertem Fotoapparat, wo sich die Souveniersammler ablichten lassen können. Das ist für mich eher eine Lachnummer, praktisch ist dieses Halligalli rund um das Bettmerhorn zumindest für einen Notdurft-Stopp.
Jetzt folgt der für mich spannendste Weg – die Überschreitung des Bettmergrats. Auf diesen weiss-blau-weiss markierten Kraxelspass freue ich mich. Etwas irritiert bin ich über die Zeitangabe in meiner Wander-App. Schliesslich brauchte ich doppelt so lange, genau wie es auf den Wanderwegweisern vor Ort stand. Die App hat bei der Zeitberechnung wohl nicht berücksichtigt, dass dies kein Spazierweg ist.
Erste Holzkonstruktionen verhelfen mir auf das Bettmerhorn selbst. Das Gipfelkreuz auf 2’786 m ist rasch erreicht. Dies ist allerdings nicht der höchste Punkt des Grats. Rasch wird klar, dass die Kraxelei von längerer Dauer sein wird – Blockfelsen pur! Viele auf die Steine aufgemalten Markierungen weisen genaustens den Weg. Jeder Schritt darf sorgfältig gewählt werden, und dies während den folgenden zwei Stunden. Ich habe meinen Spass, auch wenn es zunehmend anstrengender wird. Der Grosse Aletschgletscher begleitet mich immer noch zu meiner Linken und bietet mir ein Panorama, das seinesgleichen sucht. Die Szenerie darf ohne zu Übertreiben als einzigartig bezeichnet werden.
Die Blockfelsen liegen flach, ragen steil auf, verkeilen sich quer – wirklich ebenso imposant wie der Gletscher. Es sind erstaunlich viele Menschen über diesen Grat unterwegs. An der einen oder anderen Stelle ist das Kreuzen etwas erschwert. Manche Stellen sind ziemlich ausgesetzt, sehen eher kritisch aus, sind dann jedoch einfacher zu queren als gedacht. An einzelnen Stellen gibt es Seilsicherungen. Auch eine kurze Kletterpassage ist enthalten. Der spektakuläre Höhenweg endet bei Elselicka. Hier verweile ich einen Moment – mit erneut staunendem Blick auf den grossen weiss-marmorierten Teppich.
r Weg bis zur Bergstation Eggishorn ist verbaut mit Wintersportinstallationen – nichts besonders Ansehliches. Die Bergstation ist infolge einer weiteren Aussichtsterrasse und Bergbeizli wieder gut frequentiert. Hier steht für die Insta- und sonstigen Poser das Zeichen der «Grand Tour of Switzerland»; es wird rege als Fotosujet genutzt.
Meine Beine sind von der anspruchsvollen Gratüberquerung müde, mein Kopf von der langen Konzentrationsphase über den Grat auch – doch er signalisiert klar, das Eggishorn holst du dir nun noch dazu. Es sind nur noch zirka 30 Minuten bis auf den 2’927 m hohen Gipfel. Die Aussicht von hier ist einzigartig. Von hier oben lässt sich auch der Märjelensee erblicken. Ich drehe mich mehrmals im Kreis und kann mich kaum sattsehen. Nun zücke ich mein Mobiltelefon und schreibe einem Wanderkollegen, dass ich genau jetzt auf dem Eggishorn stehe. Er fragte schon tags zuvor.
Nun muss ich zurück, denn bald fährt die letzte Bergbahn ins Tal. Kurzum, es war ein erinnerungswürdiger Tag. Ich bin reich erfüllt von unglaublichen Landschaftseindrücken. Zur Feier des Tages gönne ich mir in Fiesch eine feine Cholera, eine Walliser Spezialität.