Fründenhütte via Fründenschnur und Zürcherschnyda
Juli 29, 2024

Angefixt durch eine Ausschreibung in der GE-App, die einmal mehr in Nullkommanix ausgebucht war, setzte sich diese Tour in meinem Kopf fest. Die Suche nach mutigen Mitstreitern geht los und schliesslich starten wir diese anspruchsvolle Tour zu Dritt. Voraus gingen etliche Recherchen über die wenig begangene, alpine Route. Irgendwann finden wir brauchbare Informationen und der Termin ergibt sich recht kurzfristig.

So starten wir an einem sonnigen Montagmorgen. Mein Wecker klingelt gefühlt mitten in der Nacht, habe ich einmal mehr die weiteste Anreise. Dennoch vergeht die Zeit wie im Fluge und schon treffe ich in Bern auf meine Begleiter. Die restliche Zugfahrt bis Kandersteg ist im Nu vorbei, und kurz darauf stehen wir am Oeschinensee. Endlich sehe ich diesen weltweit berühmten See selbst. Wir geniessen einen ersten «Aussichts-Kaffee» und wandern dann los am nördlichen Ufer entlang bis zum Bärgbeizli Underbärgli. Die steigenden Temperaturen und ein paar Akrobatikeinlagen für kreative Fotos fordern einen nächsten Flüssigkeitsstopp.

Jetzt beginnt der erste spannende Wegabschnitt – die Fründenschnur. Weil das südliche Ufer seit Jahren wegen Felssturz- und Steinschlaggefahr gesperrt ist, kann die Fründenhütte nur noch über diese ziemlich ausgesetzte T4-Strecke erreicht werden. Der schmale Pfad führt sozusagen durch die steile Felswand, die wohl genauso bekannt ist wie der Oeschinensee selbst. Die Fründenschnur ist fast durchwegs seilgesichert. Bei ganz engen Stellen halte ich mich am Stahlseil fest, sehe für mich hier jedoch noch keinen Bedarf der Sicherung mittels Klettersteigset. Solche ausgesetzten Pfade begehe ich nicht zum ersten Mal.

Die Ausblicke von der Fründenschnur sind einmalig. Das intensive Türkis des Sees ist unvergleichlich. Die Querung des Wasserfalls (heute trocken) und der nachfolgenden Aussichtsplattform lässt mein Herz höherschlagen. Diese rund 200 Meter über dem See liegende, markante Felsnase ist ein fantastischer Fotospot. Um die Wucht der massiven, dunkelgrauen Felsen über dem Abgrund festzuhalten, muss ein Bild her. Hier oben sind die Menschen nur noch als kleine Heinzelmännchen zu sehen. Das Dimensionen-Spiel macht mich sprachlos.

Die Fründenschnur führt uns stetig weiter: Leicht auf und ab, mal kraxelnd, mal einfach begehbar. Mehrere Male müssen wir wild sprudelnde Bäche queren, wobei bei zweien Seile zum Festhalten gespannt sind. Wir nähern uns dem grossen Stein, Punkt 1936. Hier mündet der alte, jetzt gesperrte Wanderweg ein, und der Normalzustieg zur Fründenhütte geht hier hoch. Ab hier ist der Wanderweg wieder weiss-rot-weiss. Für uns währt dieser einfachere Weg nur kurz, denn bei der 6. Wegkurve steht in Form eines Steinmanns unser Abzweigungssignal. Ganz schwach ist eine Spur in der Wiese erkennbar, aber erst, wenn man genau hinsieht. Erst beim nächsten Felsen sehen wir einen aufgemalten roten Punkt. Aha, wir sind richtig. Diese roten Punkte werden uns von jetzt an den Weg weisen.

Durch das Geröllfeld der Mittelschnyda suchen wir uns den Weg. Es ist mittlerweile richtig heiss geworden. Die Temperaturen zehren erstmals an unseren Kräften. Doch Schatten gibt es hier nicht viel. Während des gesamten Aufstiegs sind wir der prallen Sonne ausgesetzt. Die erste Kletterstelle kommt, und wir lassen zwischen uns genügend Abstand wegen der Gefahr losgetretener, loser Steine. Alles geht gut. Nun queren wir ein Stück auf der Zürcherschnyda über das Grasband. Alsbald folgt die nächste Kletterstelle, hier mit Stahlseil gesichert. Diese schräge Felsrille verlangt uns allen eine gewisse Beweglichkeit ab, sind die möglichen Trittstufen doch ganz schön gross und unregelmässig. Auch diese Stelle überwinden wir alle sicher.

Puh, doch noch lange nicht am Ziel. Jetzt steigen wir weiter auf dem Rücken der Zürcherschnyda auf – stetig höher zwischen Geröll, Blockfels und grasigen Abschnitten. Wir machen immer wieder kurze Pausen – es ist soooo heiss. Die SAC-Hütte ist schon in Sichtweite, doch es liegt noch etwas Wegstrecke vor uns.

Die leuchtend roten Punkte weisen uns nun nach rechts zur Abkletterstelle. Hier geht’s nun auch für mich genug exponiert weiter, sodass ich das Klettersteigset anziehe. Auch deshalb, weil die Kräfte langsam nachlassen und die Hitze mich mittlerweile ziemlich Reserven «verbraten» liess. Tja, hier geht es wirklich steil hinunter. Ein Wasserfall plätschert zwischen einer Felsspalte. Vorsichtig setzen wir Fuss vor Fuss, und auch diese Passage meistern wir alle gut. Wir stehen nun am Ende der seilgesicherten Felswand. Vor uns liegt das erste Schneefeld des auslaufenden Fründengletschers. Doch wo genau soll nun die Stelle für die Querung des Schneefelds sein? Weitere rote Punkte an der Felswand sehen wir nämlich erst, als wir schon bei der Hütte sind. Die Hüttenwartin erklärt, dass im letzten Stück den Felsen entlang die Sicherungen noch nicht fertig angebracht werden konnten. Also zurück, wir stehen immer noch vor dem Schneefeld und entscheiden uns, gleich dort zu queren. Hier im Gletscherauslauf gibt es keine Spalten mehr. Dennoch ist das Gehen über den Schnee achtsam anzugehen und wir spüren, dass es darunter durchaus Bewegung gibt. Die Hütte ist mittlerweile wirklich in Griffnähe. Jetzt packt es Rolf und er zieht weg – respektive der Durst zieht ihn weg. Ich komme mit Marc zusammen nach, und wir werden bei der Hütte bereits mit Tee erwartet. Auch mit Tee lässt sich auf unser Erlebnis anstossen. Yep, wir haben die Zürcherschnyda bezwungen. Freude und Stolz erfüllen uns.

In der Hütte bekommen wir einen separates Schlafabteil und können uns aufgrund der tiefen Belegung gut ausbreiten. Zudem geniessen wir den Luxus eines direkten Hüttenausgangs. Wir erkunden die Hüttenumgebung und geniessen nach dem Abendessen einen wundervollen und farbintensiven Sonnenuntergang. Nicht aber, dass zuvor noch zwei junge Steinböcke hinter der Hütte nach Futter suchen. Am unterhaltsamsten finde ich, dass sich eine der beiden Hüttenkatzen oben auf dem Hang hinsetzt und aufmerksam jede Bewegung der Steinböcke beobachtet; Katzenkino sozusagen. Nachdem sich die Sonne schlafen legte, ist es auch für uns Zeit, der Gute-Nacht-Geschichte aus dem Kissen zu lauschen.

Tags darauf nehmen wir den Normalweg hinunter bis zum grossen Stein. Danach ist der Rückweg derselbe wie gestern – also via Fründenschnur. Erneut fotografiere ich den Oeschinensee aus allen Winkeln – einfach geil, dieses Blau. Beim Underbärgli gönnen wir uns ein Erfrischungsgetränk. Rolf bestellt: «Dasselbe wie gestern.» Irgendwie kommt ein Gluscht nach Käseschnitte auf, doch die gibt’s weder hier noch im Berghotel Oeschinensee. Wir essen etwas anderes unter den orangen Sonnenschirmen, welche die Hitze stauen. Bevor wir nach Kandersteg hinunter wandern, gönnen wir uns daher noch ein erfrischendes Bad im See.

Eine unvergessliche Bergtour in einmaliger Kulisse neigt sich dem Ende zu – oder doch nicht? Spontan entscheiden wir uns, noch einen Tag anzuhängen und fahren ins Wallis. Übernachtung in Ausserberg, und tags darauf wandern wir ein Stück der Lötschberg Südrampe entlang bis Hohtenn. Im idyllisch gelegenen Bärgbeizli Rarnerchumma steht dann die langersehnte Käseschnitte auf der Menükarte. Mit der von Rolf mitgebrachten «Kanadischen Studä» (kanadische Goldrute) kann der Chef allerdings nichts anfangen 😉 Von der Hitze erneut müde und erschlagen, aber rundum zufrieden und stolz über unsere Leistung setzen wir uns in Hohtenn in den Zug. Für mich steht eine 4-stündige Zugreise nach Schaffhausen an. Gents, es war cool mit euch.

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