Ganze 418 Höhenmeter liegt der Otsamo Fjäll über Meer – welche Herausforderung, LOL. Dass es keine tausend Höhenmeter sein müssen, um ein grossartiges 360 Grad-Panorama zu geniessen, das beweist der Otsamo locker.
Die Ortschaft Inari ist das Zentrum des finnischen Sámi-Volkes. Das interessante Siida Museum zeigt die Kultur eindrücklich mit sehr professionell gestalteten Räumen sowie einem Freiluft-Museum im Stil unseres Ballenbergs. Dieses werden wir an einem anderen Tag besuchen. Heute steht der Otsamo auf dem Programm. Wir lassen uns vom Kleinbusfahrer bis zum Ausgangspunkt chauffieren. Ab hier sind es noch 3.7 km bis zum «Gipfel». Wir folgen dem mit roten Pfählen markierten Weg durch den typisch finnischen Wald.
Schon bald gilt es, ein erstes Bächlein zu überqueren. Eine Brücke gibt es hier nicht. Es liegen lediglich ein paar mitteldicke Baumstämme über dem fliessenden Nass. Ein Teilnehmer dieser Wanderreise der Imbach Reisen AG geht darüber und hilft den nachfolgenden Wandernden mittels eines quer eingesetzten Astes, der als «Haltegeländer» fungiert, über die Wegstelle. Alle schaffen es trocken auf die andere Seite. Die Stechmücken übrigens auch… Kaum ist man draussen, kommen sie schon angeflogen. Für ihr penetrantes Summen habe ich allerdings wenig Musikgehör. Mückenspray lässt sie einigermassen fernhalten.
Mir gefällt der etwas rauere Wanderweg heute gut, da der Wald hier deutlich mehr mit Steinen und Felsblöcken durchsetzt ist. Wir wandern durch eine abwechslungsreicheren Vegetation. Ich entdecke neue Pflanzenarten und bin begeistert vom mich stets umgebenden, satten Grün.
Die Wuchshöhe der Bäume ist in Lappland schon deutlich niedriger und kurz vor dem Gipfel ist dann die Baumgrenze. Einzig Gräser und Heidegewächse spriessen hier oben. Der Rundumblick auf den Inarisee und viele andere ist trotz bedecktem Himmel eindrücklich. Es sind tausende von Inseln und Seen – wir können sie gar nicht wirklich zählen. Ein Schmunzeln zaubern mir jeweils jene «Inseln» ins Gesicht, welche mehr oder weniger aus einem Felsbrocken bestehen, auf welchem ein paar Gräser und ein Baum wachsen; ich nenne sie Einbauminseln. Sieht einfach kurios aus.
Auf dem Otsamo steht eine kleine Schutzhütte, in der wir uns aufwärmen. Hier gibt es sogar einen kleinen Holzofen und eine Kochplatte. Der Wind pfeift hier oben ordentlich. Meine Sturmfrisur kann sich sehen lassen. Auch ich setzte mich für eine Weile in die Hütte und esse einen Snack. Das Mittagessen muss noch etwas warten. Die Schutzhütte Laurin Laavu liegt noch 4,5 km vom Otsamo entfernt.
Der teils recht steile Abstieg hält noch ein paar Besonderheiten parat. Wir sichten ein Moorschneehuhn. An einem Baum erblicken wir ein aufgehängtes Rentier resp. die Überreste des Tieres. Es muss wohl noch vor gar nicht so langer Zeit gestorben sein. Später sehen wir wieder viele Wurzeln von umgefallenen Bäumen, welche die Fantasie anregen, was jede/r darin sieht. Also ich habe ganz bestimmt ein Wildschwein, ein Seepferdchen und ein Herz gesehen. Und das Wildschwein hat mich echt kritisch angeschaut, hihi.
Viele Birken haben am Stamm einen «Knubbel». Reiseleiterin Anne erzählt, dass in der Tradition der Sámi aus solchen in Handarbeit Tassen geschnitzt werden, die einem Kind bei der Geburt als persönliches Geschenk übergeben wird und dass diese Kuksa es das Leben lang begleitet. Magst du weitere Infos – dann klicke auf die Weblinks.
https://www.kuksa.shop/de/blog/was-ist-kuksa/ und https://www.kuksa.shop/de/blog/kuksa-ursprunge/ (aufgerufen am 4.7.24)
Der weitere Weg führt uns abermals über Holzstege und an Felsbrocken vorbei. So langsam aber sicher haben wir alle wirklich Hunger. Endlich sehen wir die Schutzhütte Laurin Laavu. Auch heute funktioniert die Teamarbeit prima. Schnell ist ein Feuer entfacht und das Taschenmesser macht die Runde, sodass die Würste alsbald eingeritzt parat sind und auf die passende Glut warten.
Der Himmel klärt sich, und wir können den letzten Teil unserer Wanderung bei Sonnenschein fortsetzen. Die Farben sind sogleich kräftiger und die Szenerie somit noch eindrücklicher.
Bei der Verzweigung Jäniskoski wartet eine Hängebrücke auf uns, welche den tosenden Juutuanjoki überspannt. Die Stromschnellen sind wild: Das Wasser spritzt auf, kreist und schlägt Purzelbäume. Die Niederschläge haben auch hier den Fluss ansteigen lassen. Wow, dieser Ort ist ein Augen- und Ohrenschmaus. Ich liebe Hängebrücken über tosende Flüsse. Es folgen noch ein paar Meter dem Flussufer entlang und wir sind im Hotel zurück, welches direkt am Juutuan-Fluss liegt. So geniessen wir bei jedem Abendessen den Blick aus dem Panoramafenster auf die schöne Landschaft. Von einer kleinen Anhöhe vor dem Hotel aus bewundern wir schliesslich auch die Mitternachtssonne – ein besonderes Erlebnis.
Es war ein wunderbarer Tag rund um den «Top of Inari» und nun «Gute Nacht». Ähm, Moment mal, dunkel wird es während der Sommerzeit über dem nördlichen Wendekreis ja nicht. Damit es im Hotelzimmer dunkel ist sorgen lichtdichte Vorhänge. Also doch «Gute Nacht» 😉