Dieses Wochenende darf ich mit Wanderkollege Peter und seiner Freundin Sandra verbringen. Unsere Tour ist aus verschiedenen Gründen kürzer als ursprünglich geplant. So fahren wir im Laufe des Vormittags von Affoltern nach Göschenen. Auf der Anfahrt geraten wir in den Verkehrsstau vor dem Gotthard. Verkehrsregelnde Massnahmen erlauben uns jedoch erst in Wassen auszufahren. Ab hier geht’s wieder etwas zügiger vorwärts. Die Strasse schlängelt sich nun schmal und kurvenreich hoch bis zum Stausee. Unterwegs bitte ich um eine Pause, da ich mir die grösste Fichte der Schweiz ansehen will. Da ich nicht genau weiss, wo sie steht, suche ich in der falschen Richtung. Tja, immerhin konnten wir eine halbe Stunde die Beine vertreten.
Beim Staudamm angekommen, parken wir das Auto und gönnen uns zuerst einen feinen Cheesecake im nahen Restaurant. Dann kann es losgehen. Die Wanderung entlang Hängen und Matten bis zur Dammahütte dauert rund 2½ bis gemütliche 3 Stunden, die sich prächtig gestalten. Ich freue mich über das schillernde Türkis des Göscheneralpsees und geniesse das Wolken-Sonnen-Spiel im Wasser – mal dunkel, mal leuchtend und schillernd. Wir gehen dem linken Ufer entlang und geniessen die Wanderung, denn Zeit haben wir genug. Schon gleich zu Beginn entdecken wir unser heutiges Ziel hoch oben auf einem Felsband. Dort steht sie, eine der kleinsten bewarteten SAC-Hütten der Schweiz. Es gibt nur 20 Schlafplätze. Ich freue mich jedenfalls auf eine übersichtliche Menschenmenge.
Bei der Verzweigung Dammareussbrücke sehen wir erstmals den Dammagletscher. Beim nun steiler werdenden Aufstieg erblicke ich weiter hinten eine Gletscherbrücke. Sofort kommt der Gedanke: Da will ich hin. Doch ich bin ja nicht alleine unterwegs. So spreche ich meinen Wunsch mal an, als Option für den Abstieg. Noch ein paar letzte Wegbiegungen und wir stehen vor dem herzigen, fast quadratischen «Schmucktrückli» von Hütte. Ein erster Blickfang ist die Damma Bar mit Selbstbedienung. Der uns fröhlich begrüssende Hüttenwart meint sogleich: «Ihr wisst ja selbst, was ihr getrunken habt.» Er wird sich im Laufe des Abends als einer der witzigsten Hüttenwarte ever herausstellen. Sein Humor ist wirklich eigen. Wissend, dass es unter dem Dach nur das Massenlager gibt, weist er uns breit grinsend das Kaminzimmer zu, was sich als Dreierabteil herausstellt, genau dort wo eben der Kamin hoch geht. Weitere Abteile sind nach umliegenden Bergspitzen benannt, also irgendwelche …stock. Mangels weiteren Gipfeln mit Wortendung -stock heisst ein Abteil dann schlicht Härdöpfelstock.
Wir gehen noch zum nur fünf Minuten entfernten Aussichtspunkt, welcher mit einem Holzkreuz markiert ist und auch den Endpunkt des Klettersteig-Zustiegs kennzeichnet (oder den Einstieg, falls der Klettersteig abwärts begangen wird). Die Aussicht von hier ist so was von phänomenal und kaum in Worte zu fassen. Das Farbenspiel des Göscheneralpsees und der umliegenden Berge sowie dem Wolken-/Sonnenwechsel ist ein Genuss.
Später sitzen wir im kleinen Aufenthaltsraum und können das Hüttenteam in der Miniaturküche beobachten. Krass, was sie trotz derart beengten Platzverhältnissen für uns an Abendessen herzaubern. Danke, es ist sehr lecker. Nach dem Eindunkeln zeigt sich der Vollmond (nun ja, fast voll), und Peter fotografiert mitten in der Nacht einmal mehr den Sternenhimmel.
Zum Frühstück geht es lecker weiter. Es gibt frischen Zopf. Sonntagszopf auf einer SAC-Hütte – Premiere! Gas“t“geber Andrin ist schon wieder top gelaunt und witzelt weiter. Manchmal weiss ich nicht so genau, ob er uns nun ernsthaft etwas vermittelt oder ob er uns necken will. Seine Sprüche kommen «furztrocken» rüber, ohne dass er seine Mine verzieht. Beim Bezahlen des Aufenthalts zücken wir wie gewohnt unsere SAC-Mitgliederkarten. «Ach, die habt ihr extra hier hochgetragen?!» Bei der Frage, ob er den genauen Standort der Fichte mit dem grössten Stammumfang kennt, zückt er ein Stück Feuerholz und sagt trocken: «Die gibt’s nicht mehr.»
Bald sind wir startklar und wählen für den Abstieg die Panorama-Route. Sie führt etwas weiter in Richtung Dammagletscher. Der Moosstock und seine Türme mit Kletterrouten sind ebenfalls besser zu sehen. Nun ist es nur noch ein Katzensprung bis zur Gletscherende. Wir entscheiden uns für diese Extraschlaufe. Auf dem Querfeldeinweg zur Moräne verfolgt uns eine Schafherde. Zum Glück wird es auf der Moräne nach und nach schwieriger zu gehen, so dass wir sie über die Felsblöcke abhängen können. Nun die Frage, wie kommen wir da runter. Der eigens zu suchende Weg die Moräne hinunter gestaltet sich anspruchsvoller als gedacht. Es ist für uns alle eine gute Erfahrung und wir sind froh, heil unten angelangt zu sein.
Und dann stehen wir vor der grossen Eismasse. Meine Kinnlade hängt gefühlt bei den Knien. Einfach nur wow! Was wir nun erblicken ist eindrücklichste Naturgewalt. Sollen wir diesen grandios geformten Eispalast betreten, wo doch immer wieder Gestein und Eis von oberhalb herunterpurzeln. Peter und ich gehen schliesslich rein, wobei jemand sowohl beim Hinein- wie auch wieder Hinausspringen beobachtet und Kommando gibt. Nun, mit Worten beschreiben zu wollen, was ich in diesen gut zehn Minuten unterhalb kompakten Eises sehe, ist fast unmöglich. Schau dir lieber die nachfolgenden Bilder dieser imposanten weiss-grau-blauen Eishalle an mit stattlicher Mittelsäule, zwei Bögen und interessant gerippten Wänden an.
Wieder bei der Dammareussbrücke angelangt, nehmen wir jetzt den nördlichen Wanderweg um den Stausee herum. Der Weg ist einfach zu begehen und der Blick auf das türkisblaue Wasser begleitet uns. Fast schon zurück beim Staudamm führt der Wegverlauf noch ein Stück durch eine Art Hochmoor mit kleinen Seen, worin sich die umliegende Bergwelt spiegelt. Gemeinsam gönnen wir uns bei einer Verpflegungs-/Souvenierhütte noch einen Abschlusskaffee und erfahren von der Betreiberin, wo die grösste Fichte tatsächlich steht. Tja, nächstes Mal, denn schon bald kommt der Bus, der mich zurück nach Göschenen bringt. Sandra und Peter bleiben noch weitere Tage in den Bergen.