Ein spontaner Entschluss am Vorabend gegen 20 Uhr lässt mich heute zeitig losfahren. Da ich schon früher als geplant wach war, nehme ich eine frühere Bahnverbindung und bin schon um Viertel vor Neun in Alt Sankt Johann. Den ersten Abschnitt schenke ich mir mit der Sessel-/Gondelbahn auf die Sellamatt.
Mein Ziel ist heute der Zuestoll, der einzige Gipfel der Churfirsten, der alpin markiert ist. Während der ersten Stunde begegne ich keinem anderen Menschen. Herrlich, unter der Woche zu wandern. Beim Wegpunkt Rüggli dann die erste Begegnung. Und es sollen heute nur ganze fünf Wandernde meinen Weg kreuzen.
Ab Rüggli ist der Weg weiss-blau-weiss markiert, und die erste anspruchsvollere Passage kommt sogleich. Einige in den Fels geschraubte Eisentritte erleichtern den Aufstieg, sodass es ohne Spagat weitergehen kann. Zudem bieten die Felsbrocken stets gute Haltegriffe. Gemütlich geht es über frisches Gras weiter. Es blühen bereits verschiedene Enziane, Vergissmeinnicht, Alpenglöckchen, Alpen-Küchenschellen und Kugelblumen. Der mittlere Abschnitt, weswegen diese Route wohl so markiert wurde, folgt. Seile sichern jedoch diesen kurzen Teil. Nochmals folgt ein Teil mit stetigem, jedoch regelmässigem Aufstiegswinkel. Einige Schneefelder liegen noch auf der Nordseite der fürstlichen Firste. Der Weg ist schneefrei. Kurz vor dem Gipfel noch ein kurzer Felsaufschwung, der allerdings ebenfalls deutlich einfacher ist, als er aussieht. Dennoch finde ich, die Markierung ist gerechtfertigt, sodass diese Wanderung doch mit einem gewissen Respekt begangen wird. Dies ist wohl früher anders gewesen, denn ich sehe unter den Markierungen teilweise noch die weiss-rot-weisse Bemalung. Den Gipfel teile ich mir mit dem jungen Herrn, der ab Wegpunkt Rüggli schneller als ich aufsteigt. Danke noch fürs Gipfelfoto, Unbekannter. Wir unterhielten uns sehr wohl, doch Namen haben wir nicht genannt… Als ich alleine noch Zeit auf dem Zuestoll verbringe, entdecke ich einen Schwalbenschwanz – wunderschön. Und Bergdohlen sind natürlich auch da und „gwundrig“, ob es aus meinem Rucksack etwas zu ergattern gibt. Nix da, ich habe keine vogelgerechte Kost dabei.
Als ich wieder beim Rüggli ankomme, entscheide ich mich spontan, noch den Schibenstoll zu erklimmen. Zeitlich liegt es drin. Zu Beginn erfreue ich mich über das kleine Karstfeld. Optisch wunderschön, ist Achtsamkeit beim Wandern gefragt. Felskanten sind oft messerscharf und nicht jedes Loch sofort sichtbar. Der Weg wird nach wenigen Minuten über Karst und Felsbocken einfacher und führt einer Felswand entlang hoch. Manchmal ist er zwar leicht abschüssig, allerdings ist auch dieser Aufstieg grundsätzlich einfach. Restschnee liegt auch hier nur noch neben dem Wanderweg. Auch hier auf dem Schibenstoll ist die Aussicht grandios. Das 360 Grad-Panorama erfreut mich nicht nur mit den weiteren Churfirsten, sondern auch mit den umliegenden Gipfeln wie beispielsweise einigen Glarner Gipfeln, dem Speer und dem Alpstein. Tief unten liegen das Seeztal sowie der schimmernde Walensee. Eine schillernde Überraschung gibt es beim Abstieg. Ich entdecke einen grün schillernden Käfer mit geripptem Rücken: Goldlaufkäfer sagt meine Recherche.
Zurück bei der Alp Sellamatt bin ich nun doch etwas müde und gleichzeitig stolz. Beide „Stollen“ an einem Tag geschafft, der Zuestoll mit 2234 Hm und der Schibenstoll mit 2196 Hm. Es waren immerhin insgesamt 1‘400 Höhenmeter rauf und runter. Gut, andere machen alle sieben Churfirsten-Gipfel an einem Tag. Für mich reichten deren zwei.