Manchmal kommt es anders als man denkt und Flexibilität ist gefragt. Über die GE-App ausgeschrieben als rund vierstündigen „Sonntagsspaziergang“, entwickelt sich die Wanderung zu einem sechsstündigen, anspruchsvollen Marsch.
Als ich mit Organisator Oli bei der Talstation der Luftseilbahn Niederbauen ankomme und er die wartende Menschenmenge sieht, fällt die ursprüngliche Planung. Auch die anderen Mitwandernden wollen nicht berechnete 90 Minuten warten, und so drehen wir die Tour um. Die Stockhütten-Gondel bringt uns auf die Klewenalp. Die Tour im Gegenuhrzeigersinn zu absolvieren, heisst zusätzliche Höhenmeter bewältigen – macht nix.
Zuerst gemütlich, dann auf schmalerem und steilerem Weg geht’s über Wandeli hoch zu Punkt 1650. Olis Plan ist, hier quer zum Hang über das Färnital zur Zingel-Lücke aufzusteigen, um dann zum eigentlichen Ziel – dem Oberbauenstock – weiterzuwandern.
Die hochmotivierte Wandergruppe zieht es vor, über Vorder Jochli und den Grat vom Jochlilstock zum Gandispitz einen „Umweg“ zu machen. Ja, von unten her gesehen, ist diese Variante schon sehr reizvoll und wenig später durchqueren wir die von Schutzhunden bewachte Schafherde auf dem Weg über den Geissboden zum Vorder Jochli. Die Herdenschutzhunde machen ihren Job übrigens hervorragend. Wenn man weiss, wie man sich zu verhalten hat, sind solche Situationen in der Regel unproblematisch.
Jetzt ist der Weg weiss-blau-weiss, und es wird über den Grat sehr spannend. Wieder einmal ist Trittsicherheit gefragt. Dennoch kreuzen viele Wanderer – auch mit Hunden (die haben ja „Vier Pfoten-Antrieb“) – den Weg. Beim überdimensionierten Gipfelkreuz auf dem Gandispitz gibt’s eine kurze Rast. Wir witzeln alle, wie einfach sowie zeit-/höhenmetersparend der Aufstieg doch hätte sein können und warum der geplante „Sonntagsspaziergang“ nun länger dauert, wenn man/Mann auf die Frauen hört.
Weiss-blau-weiss bleibt der Pfad und schlängelt sich dem Grat entlang weiter. Ich bleibe immer mal wieder stehen – für kurze Verschnaufpausen und um die eindrückliche Umgebung fotografisch festzuhalten. Bis wir beim Wegpunkt Schwiren ankommen, ist es schon ein wenig fies. Bei jeder Anhöhe glaube ich, oben zu sein, aber nö… weiter geht’s. Schliesslich stehe ich mit der Gruppe auf dem Oberbauenstock. Das letzte Stück war spannend kraxelig, jedoch gut mit Ketten gesichert. Der so oder so schon die ganze Zeit fantastische Ausblick gipfelt sich auf dem Gipfel mit attraktivem Steinkreuz. Die Freude ist gross.
Lange verweilen wir nicht, denn bis zur Bergstation der Niederbauen-Bahn dauert’s noch. Jetzt folgt im Abstieg vom Oberbauenstock eine steile, ausgesetzte Kletterpassage. Unsere Berggeissen-Crew mit anführendem Chef-Bock und Jungbock im Mittelfeld meistern die Stelle bravourös, wenn auch nicht so elegant wie die pelzigen, gehörnten Kollegen. Dass sich der zweite Herr in der Runde zwischenzeitlich soweit erholt hat, um auch sicher abzusteigen, beruhigt uns. Denn im Aufstieg entlang des Grats wurde ihm wegen Überanstrengung derart übel, dass er sich mit beängstigender Herzfrequenz und kreidebleich im Gesicht hinlegen und ausruhen musste.
Auch ich spüre die Strapazen. Freundlicherweise überlässt mir eine Mitwanderin noch etwas von ihrem Wasser. Ich bin durstig, habe ich doch die klare Flüssigkeit betreffend den „Umweg“ nicht eingeplant. Die Anstrengung und Tagestemperatur zeigen sich. Wirklich gestillt wird mein Durst dann auf der Terrasse des Berggasthauses Niederbauen. Die Hoffnung, durch unsere Chill-Pause etwas weniger lang für die Talfahrt anstehen zu müssen, ist eine Illusion. Auch wir warten später noch eine gute halbe Stunde, bis uns die Kleingondel ins Tal bringt.
Die App einer Mitwandererin zeigt an: zirka 1‘600 Hm Aufstieg, etwa 1‘100 Hm Abstieg, rund 15 km in 6:30 Std. mit 50% Fettverbrennung und zirka 2‘500 kcal losgeworden.