Unseren ursprünglichen Plan für heute lassen wir fallen – rund 2‘000 Höhenmeter reichen aufgrund von Temperatur und Bodenverhältnissen. So fahren wir mit dem Auto zeitig nach Interlaken Ost und mit der Standseilbahn nach Harder Kulm. Diese Bahn im bergigen Berner Oberland ist seit 1908 in Betrieb. Die Aussichtsplattform lassen wir links liegen; viel mehr als Nebel ist momentan ohnehin nicht zu sehen.
Der Wanderweg führt sogleich in den Wald, und dieser ist für rund eineinhalb Stunden unser Begleiter. Infolge der Wetterverhältnisse ist der Boden fast durchwegs matschig und dementsprechend rutschig. Aussicht ist sozusagen gleich Null – Nebel und nochmals Nebel; unglaublich diese verschiedenen Grau-Schattierungen 😉 Hätten wir doch eine höherliegende Tour wählen sollen? Oder eine Route am anderen Berghang, denn da ist es bereits sonniger?
Nun, wir sind hier. Also vorwärts, irgendwann erreichen wir die Nebelgrenze. Von Vorteil ist, dass dieses Wetter vielleicht ein paar Leute mehr davon abhält, heute in die Berge zu stiefeln. Wir geniessen jedenfalls die Ruhe, mal abgesehen von einzelnen Dauerplappernden.
Ab Horetegg wird der Weg schmaler und abfallender, ist aber immer noch gut zu begehen. Der Nebel reisst mehr und mehr auf, doch den Brienzersee sehen wir nach wie vor nicht. Umso auffälliger sind die aus dem Nebelmeer herausragenden, schon verschneiten Bergspitzen.
Nach einem schmaleren und steileren Anstieg denken wir, den Gipfel erreicht zu haben. Doch ein Blick aufs Schild verrät uns, Suggiture. Ok, sozusagen der Vorgipfel. Wir hatten beim letzten Wegweiser noch gedacht, dass die Zeitangabe bis zum Augstmatthorn etwas „vertan“ sei… Die Energie ist irgendwie komisch hier, und so wandern wir gleich weiter. Auch auf einem hier geschossenen Foto zeigt sich dann eine ungewöhnliche Struktur… sehr seltsam.
Schon bald darauf erfüllt sich mein insgeheimer Wunsch. Hier ist sie, die Steinbock-Kolonie. Die imposanten Könige der Berge begeistern mich immer und immer wieder. Offensichtlich sind sie sich hier ziemlich gewöhnt an die wandernden Zweibeiner, bleiben sie doch einfach liegen wo sie gerade sind. Perfekt, um Fotos zu schiessen.
Könige der Berge Steinbock-Siesta
Schliesslich stehen wir auf dem Augstmatthorn. Gipfel erreicht, Gipfelfoto… Aber he, nicht mal ein Gipfelkreuz hier oben? Unterdessen ist es sonniger geworden und wir geniessen die Aussicht; allerdings immer noch ohne Brienzersee, der ist irgendwo da unten unter der Nebeldecke versteckt. Der Blick geht dem Brienzergrat entlang weiter bis zum Brienzer Rothorn. Das Augstmatthorn gilt als einer der schönsten Aussichtspunkte im Brienzersee-Gebiet.
Um in Richtung Alp Lombach abzusteigen, geht’s ein kurzes Wegstück zurück, und wir passieren nochmals die prächtigen Steinböcke in ihrem braunen Fellkleid und den beeindruckenden Hörnern. Sie tummeln sich immer noch entlang den Bändern und Fluhköpfen der Gratflanke.
Wir rasten in einer windgeschützten Mulde und blinzeln in die wärmende Sonne. Einfach herrlich! Über die Bodmisegg wandern wir bis nach Habkern, wo wir den ersehnten Kaffee geniessen, bis uns das Postauto zurück nach Interlaken bringt. Das Augstmatthorn ist der Hausberg des Bergdorfes Habkern, und so gibt es in der Bäckerei auch eine Süssigkeit gleichen Namens.
Ein unvergesslicher Tag, der mir Dank der tollen Begleiterin und den vielseitigen Eindrücken lange in Erinnerung bleiben wird.